Systemische Beratung
- Anabel Seseke
- 31. März 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Apr. 2023
Entstehung
Die systemische Beratung hat ihren Ursprung in der Familientherapie, die in den 1950er Jahren in den USA entstand. Die Begründer der Familientherapie, wie z.B. Gregory Bateson und Milton Erickson, sahen Probleme nicht als individuelle Störungen, sondern als Ergebnis von Wechselwirkungen innerhalb eines Systems, wie z.B. der Familie oder der Arbeitsumgebung.
In den 1970er Jahren wurde das systemische Denken auf andere Bereiche wie z.B. Organisationen und Teams ausgeweitet, und es entstanden neue Formen der Beratung und Therapie, die sich auf das Verständnis von Systemen und deren Dynamiken konzentrierten. Die systemische Beratung konzentriert sich auf die Identifikation von Mustern und Beziehungen in einem System, um Veränderungen zu ermöglichen und Lösungen zu finden, die auf die Bedürfnisse des gesamten Systems ausgerichtet sind.
Das Besondere an der systemischen Beratung ist, dass sie einen systemischen Ansatz verfolgt und sich nicht nur auf den individuellen Klienten fokussiert, sondern auch auf das System, in dem der Klient lebt und arbeitet. Die systemische Beratung betrachtet den Klienten als Teil eines größeren Netzwerks von Beziehungen, das aus Familien, Freunden, Arbeitskollegen und anderen sozialen Interaktionen besteht.
Die systemische Beratung geht davon aus, dass Probleme und Herausforderungen nicht nur auf individueller Ebene entstehen, sondern auch durch Interaktionen innerhalb des Systems, in dem der Klient lebt. Daher konzentriert sich die systemische Beratung darauf, wie Beziehungen und Kommunikation innerhalb des Systems zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen beitragen können.
Ein weiteres Merkmal der systemischen Beratung ist, dass sie nicht nur auf die Lösung von Problemen abzielt, sondern auch darauf, das Potential des Klienten und des Systems zu fördern und zu erweitern.
Die systemische Beratung nutzt Techniken wie z.B. zirkuläre Fragen, die darauf abzielen, die Ressourcen des Klienten und des Systems zu identifizieren und zu stärken, um eine nachhaltige Veränderung zu erreichen.
Insgesamt zeichnet sich die systemische Beratung durch ihren ganzheitlichen und systemischen Ansatz aus, der dazu beiträgt, eine breitere Perspektive auf Probleme zu gewinnen und nachhaltige Veränderungen zu fördern, die das individuelle Wohlbefinden und die Beziehungen im System verbessern können.

Wissenschaftlich bewiesen
Die systemische Beratung nutzt eine Vielzahl von Methoden und Techniken, um die Interaktionen und Beziehungen innerhalb eines Systems zu verstehen und zu beeinflussen.
Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die die Wirksamkeit der systemischen Beratung und Therapie bei der Behandlung einer Vielzahl von Problemen und Störungen belegen.
Eine Meta-Analyse von 60 Studien zur systemischen Therapie und Beratung ergab, dass die systemische Beratung bei der Behandlung von psychischen Störungen wirksam ist und in vielen Fällen ähnlich wirksam wie andere etablierte Therapieansätze wie kognitive Verhaltenstherapie oder psychodynamische Therapie ist. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die systemische Beratung eine effektive Behandlungsmethode für eine Vielzahl von psychischen Störungen darstellt und auch Vorteile für die langfristige Erhaltung der Verbesserungen bietet.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Wirksamkeit der systemischen Beratung auch von der Erfahrung und Kompetenz des Therapeuten abhängt. Ein gut ausgebildeter
und erfahrener systemischer Berater wird in der Lage sein, die Methoden und Techniken der systemischen Beratung auf die spezifischen Bedürfnisse des Klienten und des Systems anzupassen, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Systemische Haltung
Die systemische Beratung hat eine bestimmte Haltung, die sich von anderen Beratungs- und Therapieansätzen unterscheidet. Hier sind einige Merkmale der systemischen Beratung:
Ressourcenorientierung: Die systemische Beratung konzentriert sich darauf, die Stärken und Ressourcen der Klienten und des Systems zu nutzen, um positive Veränderungen zu bewirken. Der Fokus liegt nicht auf Defiziten oder Problemen, sondern darauf, was bereits im System vorhanden ist, um Veränderungen zu bewirken.
Systemischer Blickwinkel: Die systemische Beratung betrachtet das Individuum nicht isoliert, sondern als Teil eines Systems, das aus verschiedenen miteinander verbundenen Teilen besteht. Die Beziehungen zwischen diesen Teilen sind wichtig, um das Individuum und das System zu verstehen.
Neutralität: Der systemische Berater bleibt neutral und nimmt keine Position in Bezug auf das Problem oder den Konflikt ein. Stattdessen ermutigt er die Klienten, ihre eigenen Lösungen zu finden, indem er Fragen stellt und auf die Ressourcen und Stärken des Systems hinweist.
Lösungsorientierung: Die systemische Beratung konzentriert sich auf die Suche nach Lösungen für Probleme und Konflikte, anstatt auf die Analyse von Ursachen oder Vergangenheit. Der Fokus liegt darauf, wie das System seine Ziele erreichen kann, anstatt auf der Suche nach Schuld oder Verantwortung.
Wertschätzung: Die systemische Beratung wertschätzt die Vielfalt der individuellen Erfahrungen und Perspektiven und ermutigt die Klienten, ihre eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen zu teilen.
Empowerment: Die systemische Beratung zielt darauf ab, die Klienten zu ermächtigen und ihnen die Werkzeuge und Fähigkeiten zu geben, um ihre eigenen Probleme zu lösen und ihr Leben und ihr System zu verbessern.
Kontextualisierung: Die systemische Beratung betrachtet das Problem oder den Konflikt im Kontext der Kultur, Gesellschaft und Umwelt, in der die Klienten leben. Dies hilft, die Komplexität des Problems zu verstehen und gezielte Interventionen zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Systems abgestimmt sind.
Systemische Neugier: Die systemische Beratung ist von einer neugierigen Haltung geprägt, die sich auf das Verständnis der Beziehungen und Dynamiken innerhalb des Systems konzentriert. Der Berater stellt Fragen, um ein tieferes Verständnis des Systems zu erlangen und um neue Perspektiven und Einsichten zu gewinnen.
Diese Merkmale tragen dazu bei, dass die systemische Beratung als eine kollaborative und respektvolle Arbeitsbeziehung zwischen dem Berater und den Klienten verstanden wird, die darauf abzielt, positive Veränderungen im Leben und im System der Klienten zu bewirken.

Unterschiede zwischen Therapie und Beratung
Obwohl die Begriffe Therapie und Beratung manchmal synonym verwendet werden, gibt es doch einige Unterschiede zwischen den beiden.
Therapie bezieht sich in der Regel auf eine Behandlung, die darauf abzielt, eine psychische Erkrankung oder Störung zu lindern oder zu heilen. Therapie wird oft von Fachleuten wie Psychotherapeuten oder Psychiatern durchgeführt und kann verschiedene Ansätze und Techniken umfassen, um die Symptome der Erkrankung zu reduzieren oder zu beseitigen. Die Behandlung kann langfristig und intensiv sein und sich auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Patienten konzentrieren.
Beratung hingegen ist ein Prozess, bei dem ein Berater oder Coach einem Klienten bei der Bewältigung eines bestimmten Problems oder bei der Verbesserung seiner Leistung in einem bestimmten Bereich hilft. Beratung kann auf verschiedene Themenbereiche wie z.B. Beziehungen, Karriere oder persönliches Wachstum fokussieren. Der Berater unterstützt den Klienten dabei, seine eigenen Ressourcen zu identifizieren und Lösungen zu finden, um das Problem zu lösen oder das Ziel zu erreichen. Beratung ist normalerweise kurzfristiger als Therapie und konzentriert sich auf die Gegenwart und Zukunft des Klienten.
Bedeutende Systemiker*innen
Es gibt viele nennenswerte Persönlichkeiten, die im Bereich der systemischen Beratung einen bedeutenden Einfluss hatten:
Salvador Minuchin: Minuchin ist einer der Pioniere der systemischen Familientherapie und hat zahlreiche Bücher und Artikel zu diesem Thema geschrieben. Sein Ansatz betont die Bedeutung der Familienstruktur und der Kommunikationsmuster in der Familie.
Virginia Satir: Satir gilt als eine der Begründerinnen der systemischen Familientherapie und hat viele wichtige Konzepte und Techniken entwickelt, um Familienprobleme zu lösen. Sie betonte die Bedeutung von Offenheit, Empathie und Wertschätzung in der therapeutischen Beziehung.
Paul Watzlawick: Watzlawick war ein österreichischer Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler, der als Mitbegründer der "Palo-Alto-Gruppe" bekannt wurde. Seine Theorien und Methoden betonten die Bedeutung der Kommunikation in der systemischen Beratung.
Steve de Shazer und Insoo Kim Berg: De Shazer und Berg waren Begründer der lösungsorientierten Therapie, einem Ansatz, der sich auf die Suche nach Lösungen für Probleme konzentriert, anstatt sich auf die Analyse der Probleme selbst zu konzentrieren.
Harlene Anderson: Anderson ist eine der führenden Figuren in der weltweiten systemischen Therapie- und Beratungsbewegung. Sie ist bekannt für ihre Arbeit mit "Collaborative Language Systems" und hat zahlreiche Bücher und Artikel zu diesem Thema verfasst.
Es gibt viele weitere bedeutende Persönlichkeiten in der Geschichte der systemischen Beratung, die einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung dieses Ansatzes hatten.
Systemische Beratung und die dahinter stehende Haltung bedeutet für mich einen Ansatz, in dem jeder Mensch als das gesehen werden kann was er ist, ohne das irgendetwas an ihm als nicht richtig oder oder verbesserungswürdig beurteilt wird. Der einzige Mensch, der entscheidet was verändert werden soll, ist das Individuum selbst.
Das bedeutet für meine Arbeit, dass ich ausschließlich an den Aufträgen meiner Klient*innen arbeite und jeden Menschen mit einem wohlwollenden und ressourcenfindenden Blick betrachte.
Anabel Seseke
systemisches Arbeiten
Systemisch-integrative Beratung
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