Virginia Satir
- Anabel Seseke
- 9. Apr. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Virginia Satir war eine bekannte US-amerikanische Familientherapeutin und Autorin, die von 1916 bis 1988 lebte. Sie gilt als Pionierin der Familientherapie und war eine der wichtigsten Vertreterinnen der humanistischen Psychologie.
Satir war bekannt für ihre innovativen therapeutischen Ansätze, die sich auf die Stärkung der Familie als Ganzes und die Förderung von Selbstachtung und Selbstvertrauen konzentrierten. Sie entwickelte auch eine Reihe von Techniken, um Familienmitgliedern zu helfen, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern und Konflikte zu lösen. Satir war eine der Gründerinnen des Mental Research Institute in Palo Alto, Kalifornien, und ihr Werk hat einen wichtigen Einfluss auf die moderne Familientherapie ausgeübt.

Familientherapie nach Virginia Satir
Die Familientherapie nach Virginia Satir ist eine systemische Therapieform, die darauf abzielt, Beziehungen innerhalb einer Familie zu verbessern. Merkmale ihrer Familientherapie sind:
Betonung der Bedeutung von Kommunikation: Satir glaubte, dass eine offene, ehrliche und direkte Kommunikation die Grundlage für eine gesunde Familie bildet. Sie entwickelte Techniken, um Familienmitglieder zu helfen, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern und Konflikte effektiv zu lösen.
Fokus auf dem individuellen Wachstum: Satir betonte, dass das individuelle Wachstum jedes Familienmitglieds für das Wachstum der gesamten Familie von wesentlicher Bedeutung ist. Sie half Familienmitgliedern dabei, ihre eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren und ihre Selbstachtung und ihr Selbstvertrauen zu stärken.
Berücksichtigung der familiären Systemdynamik: Satir betrachtete die Familie als ein System, in dem jedes Mitglied eine wichtige Rolle spielt. Sie glaubte, dass jeder in der Familie dazu beitragen kann, das System zu verändern und zu verbessern, indem er seine eigenen Verhaltensmuster ändert.
Verwendung von Körperarbeit: Satir setzte Körperarbeit ein, um Familienmitgliedern dabei zu helfen, ihre Emotionen und Körperreaktionen zu identifizieren und zu regulieren. Sie nutzte Atemübungen, Körperhaltung und Bewegung, um den Zugang zu tief verwurzelten emotionalen Problemen zu erleichtern.
Verwendung von Metaphern und Bildern: Satir verwendete Metaphern und Bilder, um komplexe Konzepte zu vermitteln und Veränderungen zu erleichtern. Sie nutzte auch Rollenspiele, um Familienmitgliedern dabei zu helfen, alternative Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster zu üben.
Diese Merkmale der Satir'schen Familientherapie haben dazu beigetragen, dass sie zu einer einflussreichen Form der Familientherapie geworden ist, die sich auf die Stärkung von Familienbeziehungen und individuellem Wachstum konzentriert.
Das Wachstumsmodell
Wachstum spielte in der Betrachtung von Virginia Satir eine große Rolle. Das Wachstumsmodell nach Virginia Satir ist eine Theorie, die sich auf das persönliche Wachstum und die Entwicklung von Menschen konzentriert. Satir glaubte, dass jeder Mensch das Potenzial hat, sich zu entwickeln und seine Fähigkeiten zu entfalten, wenn er in einer unterstützenden Umgebung aufwächst.
Satir glaubte, dass jede Phase des Wachstums mit spezifischen Herausforderungen und Schwierigkeiten verbunden ist, die bewältigt werden müssen, um das Wachstum zu fördern. Durch das Verständnis des Wachstumsmodells kann ein Therapeut eine unterstützende Umgebung schaffen, um das individuelle Wachstum und die Entwicklung zu fördern.
In der Gegenüberstellung vom Wachstumsmodell und dem Hierarchischen Modell werden die Grundzüge des Modells deutlich:
In der Einstellung gegenüber Veränderung fordert das Hierarchische Modell den Status quo aufrecht zu erhalten um das Bedürfnis nach Sicherheit zu bedienen. Im Wachstumsmodell entsteht das Sicherheitsgefühl aus dem Vertrauen in den Prozess der Veränderung.
Im Hierarchischen Modell gibt es nur eine „richtige“ Art etwas zu tun und die dominante Person kennt die „richtige Art“. Demgegenüber steht eine Vielzahl von Möglichkeiten, aus denen wir anhand unserer eigenen Kriterien einen uns gemäßen Ansatz auswählen. Im Wachstumsmodell wird ein Ereignis als Ergebnis vieler Variablen beschrieben, während im Hierarchischen Modell eine lineare Ursache-Wirkung-Beziehung beschrieben wird.
Rollen und Status werden von der Identität unterschieden und Menschen sind einander gleichwertig. Beziehungen bestehen ebenfalls zwischen Gleichwertigen. Im Hierarchischen Modell hingegen werden Rollen und Status mit der Identität verwechselt, sind Menschen unterschiedlich wertvoll und dominieren oder ordnen sich unter (vgl. Das Satir Modell, 1995, S. 30 f.)
Ich verstehe das Wachstumsmodell als Grundhaltung um Menschen und ihren Systemen zu begegnen.

Die 5 Freiheiten
Virginia Satir war der Meinung, dass jeder Mensch die innere Fähigkeit und Freiheit hat, sein Leben positiv zu verändern, indem er seine Ressourcen und Möglichkeiten nutzt. Satir glaubte, dass jeder das Recht hat, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen, um damit auch einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Ihre fünf Freiheiten gelten als Wegweiser zu dieser Veränderung.
Meine Interpretation der fünf Freiheiten möchte ich dir im Wissen darum anbieten, dass sie auch ganz anders verstanden werden können.
Die Freiheit zu sehen und zu hören, was ist, statt zu sehen und zu hören, was sein sollte oder einmal sein wird.
Virginia Satir lädt uns mit dieser Freiheit dazu ein der Welt offen zu begegnen und uns nicht von Meinungen, Vorannahmen, Ausflüchten und Konstruktionen leiten zu lassen.
Die Freiheit zu sagen, was du fühlst und denkst, statt zu sagen, was du darüber sagen solltest.
Uns von gesellschaftlichen und anderen versteckten Regeln und Normen innerhalb von Gruppen und Strukturen zu befreien und das zu sagen was wirklich in uns vorgeht statt nur das „zumutbare“ von uns preiszugeben kann aufrichtige zwischenmenschliche Beziehungen wachsen lassen.
Die Freiheit zu fühlen, was du fühlst, statt zu fühlen, was du fühlen solltest.
Ohne Erwartungen anderer entsprechen zu müssen und zu wollen bedeutet es auch Freiheit in uns hinein zu fühlen mit der Offenheit, dass alles da sein darf. Unabhängig von dem was uns umgibt.
Die Freiheit, um das zu bitten, was du möchtest, statt immer auf die Erlaubnis dazu zu warten.
Wenn wir aktiv für uns und unsere Bedürfnisse einstehen erlauben wir auch unseren Mitmenschen mehr an unserem Leben teilzunehmen. Wir werden sichtbarer und nahbarer. Wir zeigen uns mit dem was wir brauchen und erleichtern unserer Umwelt den Umgang mit uns. Das führt zu mehr Zufriedenheit in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die Freiheit, um der eigenen Interessen willen Risiken einzugehen, statt sich dafür zu entscheiden, „auf Nummer Sicher zu gehen“ und „das Boot nicht zum Kentern zu bringen“.
Die eigenen Interessen stellen wir manchmal zu vermeintlichen Gunsten anderer in den Hintergrund und verharren an Ort und Stelle, um niemanden zu enttäuschen, das Einkommen für die Familie zu sichern, die sichere Zukunft zu planen und uns nicht mit unseren Träumen sichtbar und angreifbar zu machen. Um das Boot nicht zum Kentern zu bringen bleiben wir in der Mitte sitzen und lehnen uns nicht nach rechts oder links. Wir verharren in der eingeschränkten Sicht und lassen uns treiben. Wenn das Boot allerdings kentern würde, könnten wir herausfinden ob Schwimmen nicht viel besser zu uns passt.
Diese letzte Freiheit erzeugt in mir ein Gefühl des Aufbruchs und macht mir Mut die Wege zu gehen, die noch unbekannt vor mir liegen.
Alle fünf Freiheiten nach Virginia Satir wirken auf mich sehr kraftvoll und haben für mich nicht an Aktualität verloren. Es fasziniert mich, dass diese starke Wirkung von so kurz formulierten Sätzen ausgehen kann.
Virginia Satir war eine bemerkenswerte Frau, die die systemische Arbeit und die Familientherapie geprägt hat. Ich bewundere ihre wertschätzende, empowernde und respektvolle Haltung welche mich zu tiefst inspiriert.
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